29. September 2023
Stabile Versorgung in Zeiten des Klimawandels
Zu einer „Get-together“-Veranstaltung hatte die Ammertal-Schönbuchgruppe (ASG) am Donnerstag in die große Pumpenhalle des Wasserwerks in Ammerbuch-Poltringen eingeladen. Mehr als 100 Gäste kamen und hörten Impulsvorträge über die Sicherung der Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels. Dass auch andere Faktoren, wie zum Beispiel die Folgen des Kriegs in der Ukraine mit stark schwankenden Energiekosten, auf einen Wasserversorger wie die ASG einwirken, machte der Verbandsvorsitzende und Böblinger Oberbürgermeister Dr. Stefan Belz in seiner Begrüßung deutlich.
Anschließend berichtete Lena Winkler vom baden-württembergischen Umweltministerium über den „Masterplan Wasserversorgung“ des Landes. Anlass für diesen Plan seien die Prognosen, dass infolge des Klimawandels in Baden-Württemberg die Grundwasserbildung um bis zu 20 Prozent abnehmen werde. Die Landesregierung wolle die Kommunen dabei unterstützen, die damit verbundenen Herausforderungen in der Wasserversorgung zu meistern, so Winkler.
Die Landkreise Böblingen und Tübingen, in denen die ASG aktiv ist, gehörten zu den ersten, in denen Daten für den Masterplan erhoben wurden. Für beide Kreise zeigt sich, dass beim normalen Durchschnittsverbrauch keine größeren Probleme für die Wasserversorgung zu erwarten sind. Blickt man allerdings auf die Spitzenverbräuche, die nach längeren heißen Phasen und zu bestimmten Tageszeiten erreicht werden, sieht es anders aus. Treffen verschiedene Faktoren zusammen, dann könnte es im Jahr 2050 zu einer zeitweisen Lücke zwischen Wasserangebot und Nachfrage kommen, lautet eine Erkenntnis.
Die Referentin für Wasserversorgung und Grundwasserschutz beim Ministerium betonte, dass diese Prognose kein Grund zur Panik sei. Sie gebe aber das Signal, sich das Thema noch einmal vorzunehmen und genau zu analysieren. Es gebe in der Wasserversorgung zahlreiche Stellschrauben, um eine Mangellage rechtzeitig zu verhindern. Es gelte allerdings, diese rechtzeitig zu identifizieren und zu nutzen.
Handlungsbedarf mit Blick auf den Klimawandel konstatierte auch Prof. Dr. Olaf Cirpka von der Universität Tübingen. Der Hydrogeologe bekannte, dass er seinen früheren Leitsatz, wonach die Wasserversorgung in hiesigen Gefilden zwar ein Qualitätsproblem, niemals aber ein Mengenproblem sein könne, heute gegenüber Studierenden nicht mehr äußere. „Bisher leben wir auf einer Insel der Glückseligen, aber das Konfliktpotenzial der Grundwassernutzung wird größer“, warnte Prof. Dr. Cirpka. Denn mit einem Klima, wie es früher in Spanien herrschte, würden sich auch hierzulande ganz neue Konstellationen ergeben. So spiele die Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Flächen derzeit noch gar keine Rolle bei der Wasserversorgung. Dieses Thema sei jedoch „der Elefant im Raum“, der alles ändern könne.
Um mögliche Nutzungskonflikte frühzeitig zu erkennen und Lösungsansätze zu entwickeln, arbeitet die ASG im Projekt „GW 4.0“ mit den Universitäten Tübingen und Hohenheim, Landesbehörden, Ingenieurbüros und anderen Wasserversorgern zusammen. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt untersucht die Grundwasser-Gegebenheiten in Neckartal und Oberem Gäu. Die systematische Erhebung und Zusammenführung von Daten, die Teil des Forschungsvorhabens ist, soll in ein Echtzeit-Online-Tool münden. Mit seiner Hilfe könnten Kommunen, Wasserversorger und auch die Bevölkerung jederzeit den Stand des Grundwasseraufkommens erkennen und entsprechend reagieren.
Für die ASG bestätigte Geschäftsführer Ralf Göttsche, dass der Klimawandel sich bereits auf die Grundwasserversorgung auswirke. So sei der Pegel beispielsweise am Brunnen in Kiebingen seit zehn Jahren kontinuierlich sinkend, weshalb die ASG die Entnahme dort bereits gedrosselt habe. Andererseits gebe es auch überraschende Entwicklungen beim Verbrauch. So sei im laufenden Jahr trotz der sehr hohen Sommertemperaturen die Wasserabgabe an die Kunden bisher deutlich unter den Mengen der Vorjahre geblieben. Eine Lösung für eine stabile Wasserversorgung bei geringerem Grundwasseraufkommen sei es, die starken Nachfrage-Schwankungen im Tagesverlauf zu reduzieren, so Göttsche. Gerade die Spitzenverbräuche belasteten die Wasserversorger. „Wir müssen deshalb mit den Kunden ins Gespräch kommen“, lautete Göttsches Folgerung. In Kombination mit intelligenten technischen Lösungen sei hier ein wichtiger Hebel zur Sicherung einer stabilen Wasserversorgung vorhanden.
In informellen Gesprächsrunden vertieften die Mitarbeitenden von Wasserversorgern sowie Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Kommunen und Dienstleistern die Themen anschließend bei einem Imbiss.